THL-Tage 2018 in Mooskirchen (Stmk.)

20 Minuten für ein Menschenleben – Österreichische Rescue-Challenge in der Steiermark
Keine Sekunde verschwenden, die Einsatzzeit optimieren und dennoch professionell bei der Rettung von Verletzten aus Unfallfahrzeugen vorgehen. Dieses ehrgeizige Ziel verfolgten Feuerwehrkräfte bei den THL-Tagen: eine Rescue-Challenge, die international Zuspruch findet. 

56 schrottreife Autos „demolieren“, lautete der ungewöhnliche Auftrag für einen Bagger in der ansonsten so idyllischen weststeirischen Marktgemeinde Mooskirchen. Es steckt jedoch weitaus mehr dahinter als ein Vandalenakt: „Wir haben jedes Unfallszenario mit Modellfahrzeugen (Matchbox-Autos) dargestellt und dokumentiert“, versicherte LM Christoph Rotschedl, „der Bagger baute diese nach, indem er die Fahrzeuge dementsprechend deformierte.“ Und das hatte seinen guten Grund, denn der enorme Aufwand war einem einzigartigen Event geschuldet: Technische-Hilfeleistungstage, kurz THL-Tage, nennt sich der Fort- und Weiterbildungs-Bewerb. Dabei treffen im Jahresrhythmus Feuerwehren unterschiedlicher Nationalitäten zusammen, um die strukturierte Rettung von Personen nach Verkehrsunfällen auf professionellen Niveau zu trainieren. Heuer stellten sich 32 Teams am 7. und 8. September zum ersten Mal in der Steiermark – die FF Mooskirchen (BFV Voitsberg) zeichnete für die Organisation verantwortlich – dieser Herausforderung.

Bereits seit acht Jahren gibt es diese THL-Tage in Österreich mit der Besonderheit, dass bei diesem Bewerb nicht der Wettkampf, sondern das Lernen voneinander im Vordergrund steht. Das Bewertungssystem ist an jenes der WRO (World Rescue Organisation) und der VFD-U (Verein zur Förderung des Deutschen Unfallrettungswesens) Rescue-Challenges angelehnt.

Forderndes Übungsszenario
Ein Verkehrsunfall wird mit einem oder zwei Fahrzeugen und weiteren Barrieren dargestellt. Für den Lenker im Fahrzeug gibt es kein Entkommen. Wie der Unfall bzw. die Fahrzeuge positioniert werden, ist einzig und allein der Kreativität der durchführenden Feuerwehr überlassen – die Wracks können dabei auf den Rädern stehen, auf der Seite oder auch am Dach liegen. Hindernisse wie Elektrokästen, Bäume oder Betonleitwände erschweren die Rettung und dürfen nicht entfernt werden; ja sogar gefährliche Güter, etwa eine Gasflasche, können sich im Inneren der Wracks befinden. Jedenfalls wissen die Einsatzkräfte, die sich eine halbe Stunde vor dem Start in „Isolation“ befinden, nur: es wartet ein forderndes Szenario. Dann hat jedes Feuerwehrteam höchstens 20 Minuten Zeit, die verletzte Person so schonend wie möglich mit mondernsten Rettungsgeräten und -methoden aus dem Unfallfahrzeug zu befreien. Besonderer Wert wird dabei auf eine verletzten- und achsengerechte Rettung gelegt. Die Arbeitsweise des Teams wird während des Pits (Rettungsablauf) von internationalen und erfahrenen Trainern bewertet. Die Zeit von 20 Minuten ergibt sich aus der „Golden Hour of Shock“:  man rechnet im Einsatzfall mit 20 Minuten für die Alarmierung und die Anfahrt der Einsatzkräfte, weitere 20 Minuten für die Befreiung und die Rettung aus dem Unfallfahrzeug und wiederum 20 Minuten für den Transport des Verletzten in das Krankenhaus. In Summe also eine Stunde; innerhalb dieser hat der Verunglückte die beste Überlebenschance.

Bei der Einsatznachbesprechung, direkt nach dem Pit, erhalten alle Teammitglieder von den Trainern ein persönliches Feedback über die geleistete Arbeit. Das hier erworbene Wissen, aber auch Verbesserungsvorschläge können somit direkt in die Ausbildung einfließen.

Woraus besteht ein Technical Rescue Team (TRT)?
Ein TR-Team besteht aus sechs Personen mit unterschiedlichen Aufgabenbereichen. Alle Mitglieder müssen einer Feuerwehr oder anerkannten Rettungsorganisation angehören.

Der Gruppenkommandant (IC) führt die Erkundung durch, weist das Team auf mögliche Gefahren hin und legt gemeinsam mit dem Werkzeug- oder Rettungstrupp (Tool) den Rettungsweg fest. Er überwacht die gesamte Übung, steht in permanentem Kontakt mit dem inneren Retter (Medic) und ist auch Ansprechpartner für die Ausbilder/Schiedsrichter.

Der Sanitäter (Medic) ist für die Erhaltung der Vitalfunktionen des Verletzten und dessen Betreuung zuständig. Er befindet sich nach den Sicherungsarbeiten vorzugsweise im Fahrzeug. Dabei wird er nach Bedarf von einem Sicherungs- oder Werkzeugmann unterstützt. Er gibt laufend den Gesundheitszustand des Verletzten an den Gruppenkommandanten durch. Bei der Rettung des Verletzten aus dem Fahrzeug übernimmt der innere Retter das Kommando.

Der Sicherungstrupp (Safety) besteht aus zwei Personen. Sie sind grundsätzlich für die Sicherung und Stabilisierung des Unfallszenarios verantwortlich. Alle Fahrzeuge und Hindernisse sind so zu sichern und zu stabilisieren, dass der Verunglückte und das übrige Einsatzteam nicht gefährdet werden. Der Trupp überprüft laufend die Sicherungsmaßnahmen und unterstützt die weiteren Teammitglieder nach Bedarf. Bei Schneid- und Spreizarbeiten sorgen sie dafür, dass grobe Erschütterungen vermieden werden.

Der Rettungstrupp (Tool) besteht ebenfalls aus zwei Personen und bedient die hydraulischen Rettungsgeräte bzw. alle zur Rettungsöffnung erforderlichen Geräte; Schneid- und Spreizarbeiten werden also von diesem Trupp durchgeführt. Er ist permanent im Kontakt zum inneren Retter und gibt vor den durchgeführten Arbeiten eindeutige Kommandos an das gesamte Team.

Drei Nationen am Start
Seit 2010 erfreuen sich in Österreich Rescue Challenges immer größerer Beliebtheit. Neben dem breiten Teilnehmerfeld aus Österreich nahmen in Mooskirchen auch Teams aus Tschechien und Frankreich an den THL-Tagen teil. Eine Kombination von Bewerb und Ausbildung macht das besondere Etwas aus, sind sich OBR Christian Leitgeb, BR Klaus Gehr, ABI Alfred Reinwald (Landesbeauftragte für das THL-Leistungsabzeichen) und ABI Josef Pirstinger, Kommandant der FF Mooskirchen, einig. Noch vor die Sirene den Start des ersten Pits signalisierte, eröffnete der Bürgermeister von Mooskirchen, LFR Engelbert Huber, offiziell die Veranstaltung. Er hieß die Zaungäste willkommen und dankte im Besonderen allen Teilnehmern, immerhin ist es nicht selbstverständlich, „seine Freizeit für den Dienst am Nächsten zu opfern“ und – wie viele der Protagonisten – lange Anreisen für die Weiterbildung in punkto Technische Hilfeleistung auf sich zu nehmen. Sein Dank galt ebenso den drei Bewerter-Teams à fünf Referees mit Chef-Trainer HBI Christian Nocker (FF Zirl). Sie blickten mit Argusaugen auf den Verlauf jedes einzelnen Pits: Zwei der Schiedsrichter prüften die technische Durchführung, weitere zwei bewerteten die Arbeit des Gruppenkommandanten sowie die des Medic, einer mimte den Verletzten. Wobei Letzterer das Prüfungsmuster der Einsatzkräfte beurteilt bzw. wenn er nicht entsprechend versorgt wurde, eine Verschlechterung seiner körperlichen Verfassung simulierte.

Resümee
Einerseits wurde bei den THL-Tage in Mooskirchen dem Grundgedanken „neues Wissen erwerben bzw. schon Gekonntes vertiefen“ durch das Beobachten der anderen Teams sowie bei Gesprächen und Diskussionen mit anderen Teilnehmern Rechnung getragen. Andererseits. Die Rescue-Challenge bot Bühne, um der Bevölkerung, die das Geschehen hautnah auf den Rängen und auf einer Videowall verfolgte, den hohen Ausbildungsstand „ihrer“ Wehren zu demonstrieren. Dazu präsentierten namhafte Hersteller im Rahmen einer Fachausstellung medizinisches Equipment und hydraulische Rettungsgeräte. Darum ist es gut, dass man bereits in den Startlöchern für die kommenden THL-Tage steht: diese sollen 2019 in Oberösterreich bei der FF Rohrbach stattfinden.

(Text & Bilder: FF Mooskirchen)
weitere Bilder vom Freitag, Samstag, Abschluss und dem Drumherum